Der Trend zur Digitalisierung nimmt fahrt auf und rollt durch immer mehr Unternehmen und Organisationen. Beraterfirmen stürzen sich auf das Thema und Digitalisierungsportale sprießen wie Pilze aus dem Boden. Überall ist zu lesen, dass der Umbruch so radikal wird, dass er an den Grundfesten unserer Arbeitswelt rütteln wird. Es droht ein regelrechtes Erdbeben. Die Digitale Transformation sei deshalb die einzige Lösung. Die Menschen müssten mitgenommen werden, denn ihre inneren Blockaden und Ängste würden den Erfolg der Digitalisierung gefährden.
Der Mensch blockiert scheinbar den Fortschritt
Dabei ist der Wettbewerb brutal. In Asien existiert ein ganz anderes Selbstverständnis hinsichtlich Veränderung und Fortschritt. Neue Technologien werden weniger hinterfragt und mit Hochgeschwindigkeit in die Anwendung gebracht. Im Westen hingegen dominieren die Kritiker und Skeptiker. Von der Trägheit der Politik mal ganz abgesehen.
Also braucht es wohl Methoden, Mechanismen, Argumente und Hilfestellungen, um die Skeptiker vom Heiligen Gral der Digitalisierung zu überzeugen. Und da ist der Begriff Digitale Transformation perfekt geeignet. Transformation klingt sanft und hat ein deutlich positiveres Image als Change, Umstrukturierung oder Veränderung.
Die Digitale Transformation wird es schon richten
Also stellt man den Menschen in den Mittelpunkt – zumindest vordergründig – und lässt die externen Berater wirken. Workshops, Trainings, Führungskräfte- und Team-Coachings, die ganze Palette an Möglichkeiten. Hauptsache die Belegschaft versteht, dass jetzt digitalisiert werden muss.
„Die ganze Welt redet davon – folglich müssen wir da auch ran.“
Sonst sinkt die Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze gehen verloren. Eine vielleicht wichtige und richtige Schlussfolgerung. Oder doch nicht?

Was ist eigentlich das Ziel?
Die Begeisterung ist groß und die meisten Mensch sehen auch in der einen oder anderen digitalen Lösung die Sinnhaftigkeit. Und dennoch existiert diese latente Ablehnungshaltung in der Arbeitswelt, die die Frage hervorruft:
„Wieso das Ganze?
Warum sollen wir eigentlich digitalisieren?“
Wird das Digitalisierungs-Pferd vielleicht von hinten aufgezäumt? Verlieren wir den Fokus auf unser übergeordnetes Ziel? Und was ist eigentlich dieses Ziel?
Nachhaltige Profitabilität sichert das Unternehmen
Völlig egal welcher Vision bzw. Mission oder welchen strategischen Zielen ein Unternehmen auch folgt. Eines haben alle Unternehmen gleich: Sie müssen langfristig profitabel sein, um ihre Existenz zu sichern. Demzufolge sollten alle Digitalisierungsbemühungen ihren Beitrag zur Erfüllung dieses übergeordneten Ziels leisten. Technik-Euphorie kann dabei sowohl hilfreich als auch hinderlich sein. Deshalb braucht es viel Fingerspitzengefühl, wie mit dem Thema umgegangen wird.
Je größer die Begeisterung, desto mehr droht man den Fokus zu verlieren und desto mehr wird in Zukunftsfantasien geschwelgt.
- Das sind ja ungeahnte Möglichkeiten!
- Das wird unsere Arbeit revolutionieren!
- Das wird unsere Marge nach oben treiben!
- Wie schnell das dann alles geht!
- Dann fallen die ganzen menschlichen Fehler weg!
Die Euro-Scheine glänzen in den Augen, als wäre das Geld schon fast verdient. Fehlt nur noch schnell die Einführung der Systeme, schon sind wir im digitalen Paradies.
Wenn da nicht diese Bremser und Zweifler wären….
Digitale Transformation heißt „Zweifler einnorden“?
So oder so ähnlich stellen sich noch immer manche Führungskräfte die Digitale Transformation vor. Die anfängliche Wortwahl ist zwar sanfter und einfühlsamer, doch das Ergebnis sollte dann schon so aussehen. Schließlich gäbe es keine Wahl, der Druck sei hoch und man hätte keine Zeit zu verlieren.
Ein fataler Trugschluss!
Orientieren wir uns am Profitabilitätsziel, so kann die Digitale Transformation nur erfolgreich sein, wenn die Menschen die Sinnhaftigkeit einer Digitalisierungsmaßnahme verstehen und unterstützen. Oder besser noch, wenn sie den Bedarf und den Nutzen der Digitalisierung selbst erarbeitet haben. Denn dann ist es ihr eigenes „Baby“. Das gelingt am Leichtesten, wenn die Digitalisierung auch einen Nutzen für die eigene Arbeit erzeugt. Einfacher, schneller, mit weniger Reibungsverlusten, weniger Konflikten, weniger Fehlerpotenzial etc.
Bedeutet Digitalisierung jedoch Arbeitsplatzverlust und damit einhergehend existenzielle Gefährdung, so wird es nicht gelingen, konstruktive Unterstützung zu erhalten. Die Menschen entfalten weder ihr volles Potenzial, noch ist mit sinnvoller Unterstützung zu rechnen. Stattdessen bedroht der Frust der Betroffenen den Projekterfolg.
Restrukturierung ist der Feind jeder Digitalen Transformation
Wenn von Anfang an klar ist, dass eine Digitalisierungsinitiative Entlassungen zur Folge hat, so sprechen wir von einer Restrukturierung. In diesem Fall sollte eine klare Abgrenzung zur Digitalen Transformation vorgenommen werden – sowohl inhaltlich als auch personell. Das ist mitunter schwierig, da noch nicht klar ist, wessen Arbeitskraft letztendlich nicht mehr benötigt wird.
Versucht man das Thema jedoch über die individuellen Kompetenzprofile anzugehen, so wird transparent, auf welche Kompetenzträger das Unternehmen zukünftig nicht verzichten möchte. Genau mit diesen Menschen wird dann die Digitale Transformation aufgeplant und durchgeführt. Ihnen wird eine Job-Garantie gegeben, so dass die Existenzängste entfallen und sie sich voll und ganz auf die inhaltlich Arbeit konzentrieren können.
Diese Sicherheit setzt üblicherweise viel Engagement und Kreativität frei. Auch wenn die Menschen Mitgefühl mit Ihren Kolleginnen und Kollegen haben, die eben nicht eine solche Job-Garantie erhalten haben. Um das Arbeitsklima weiter zu optimieren, bietet es sich an, das Transformationsteam räumlich zusammen zu setzen. Allerdings ist das kein Allheilmittel, da dadurch u. U. die Stimmung bei den weiterhin operativ Arbeitenden umso schlechter wird. Hier braucht es viel Empathie und Fingerspitzengefühl.
Die Digitale Transformation braucht Entlastung
Das Thema Digitalisierung ist mittlerweile so negativ belegt, dass allein schon die Erwähnung in manchen Köpfen Horror-Szenarien auslösen. Deshalb empfiehlt es sich, dem Thema den Fokus zu nehmen. Konzentrieren Sie Ihre Bemühungen auf das, worum es eigentlich geht:
Die Verbesserung der Prozesse zählt!
Streichen Sie mal die Worte Digitalisierung und Digitale Transformation aus Ihrem Wortschatz und fokussieren Sie auf die Verbesserung Ihrer Prozesse. Diese wollen Sie verschlanken, schneller machen, effektiver oder was auch immer. Und hierfür existieren zahlreiche Mittel. Andere Geräte oder Maschinen, andere Technologien, andere Abläufe, andere Qualifikationen und vieles mehr.
Digitalisierung ist nur eine von vielen Lösungen
Nun stellen Sie ihr Team zusammen und lassen es alternative Lösungskonzepte erarbeiten und bewerten. Diese können mit und ohne Digitalisierung sein. Um sich angesichts der vielfältigen Digitalisierungsmöglichkeiten inspirieren zu lassen, können Sie Dritte von intern oder extern hinzuziehen.
Achten Sie bei der Bewertung darauf, dass Digitalisierung einen Rattenschwanz an Folgekosten und -problemen nach sich zieht.
- Höhere IT-Kapazitäten,
- längere Reaktionszeiten und -aufwand für Prozessänderungen,
- IT-Pflege
- IT-Schnittstellen-Komplexität,
- IT-Sicherheitsanforderungen,
- IT-Update-/Wartungs-Anforderungen
- Up-Scaling-Anforderungen
- Prozesssicherheit
- und vieles mehr.
All dies wird meiner Erfahrung nach in über 90% der Projekte falsch eingeschätzt und schön geredet. Das Management will oftmals digitalisieren und so fallen manche Gegenargumente hinten runter. Koste es, was es wolle. Wenn jedoch erst einmal digitalisiert worden ist, gibt es in der Regel keinen Weg mehr zurück. Die Folgekosten belasten das Geschäft und die Unzufriedenheit wächst.
Digitale Transformation erfordert Besonnenheit
Digitalisierung ist und bleibt ein Mittel zum Zweck! Das sollte sich jeder Manager täglich vor Augen führen. Und es ist IHRE Aufgabe, diesen Zweck genau zu kennen und darauf zu fokussieren – unabhängig von allen Digitalisierungsforderungen.
Denn vielleicht ist ein manueller Prozess auf den ersten Blick teurer, aber dafür viel flexibler anpassbar an sich verändernde Rahmenbedingungen. Vor allem in einem Zeitalter in dem sich die Kundenanforderungen immer schneller verändern. Ein digitalisierter Prozess lässt sich jedoch oftmals nur eingeschränkt, verzögert oder teuer anpassen. Wer schon einmal ein IT-Projekt geleitet hat, weiß wovon ich spreche.
Wenn die Besonnenheit abhanden kommt, ist der Widerstand in der Belegschaft nicht fern. Denn eines sollte man niemals unterschätzen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben ein sehr gutes Gespür und Eigeninteresse an unternehmerischen Verbesserungen. Sie wollen gute Prozesse haben und sie wollen auch an der Verbesserung mitwirken. Werden jedoch Entscheidungen getroffen, die ihren Erfahrungen und ihrer Expertise widersprechen, verlieren sie den Glauben an die Management-Kompetenz und die Motivation am konstruktiven Mitwirken an der Digitalen Transformation. Daher gilt auch hier – trotz allem Wettbewerbsdruck:
„Wenn Du schnell sein willst, gehe langsam“
Dieses chinesische Sprichwort hat auch in der Digitalen Transformation seine Berechtigung. Denn die intensive Integration der betroffenen Personen kosten auf den ersten Blick Zeit und Geld, bringt aber im Gegenzug eine höhere Leistungsbereitschaft und Nachhaltigkeit in der Veränderung. Und letztlich auch eine höhere Gesamtgeschwindigkeit.
Fokussieren Sie gemeinsam auf das übergeordnete Ziel – es lohnt sich –
Machen Sie was draus!
Es grüßt Sie vom Bodensee
Ihr werte + mehr® Team