Unternehmenskultur,Kulturwandel,Führungskultur,Coaching,Sven GeelhaarDiese Woche schaute ich mir eine Dokumentationsreihe in der ZDF Mediathek an, in der 8 junge Menschen an einem Experiment teilnahmen. Sie lebten 7 Tage in einer künstlichen Diktatur. Abgeschottet von der restlichen Welt. Ohne Fenster mit Ausblick. Mit kargen Einzelzimmern. Alle Luxusartikel mussten sie beim Eintritt in die Diktatur abgeben….Smartphones, Schmuck, Kosmetik, Uhren. Alles weg. Stupide Arbeit füllte die Leere des Tages. Strikte Führung.

Führung: Regeln schmücken die Wände und sind zu befolgen

Unternehmenskultur,Kulturwandel,Führungskultur,Coaching,Sven GeelhaarObwohl sie DEN Diktator niemals zu Gesicht bekamen, folgten sie lange Zeit seiner telefonischen Führung, seinen Anweisungen. Überwiegend kritiklos, regelrecht hörig. Sie führten die stupide Arbeit aus, gingen brav auf ihre Zimmer, wenn die Sirene ertönte, begnügten sich mit der sich wiederholenden Nahrung und begaben sich sogar aufgrund einer telefonischen Anweisung eigenständig in Einzelhaft, als Bestrafungsmaßnahme. In einem erniedrigenden Käfig mit feuchtem Boden.

Überwachung und Repressalien gegen Gruppenmitglieder

Sehr schnell wird der Gruppe klar gemacht, wie der Hase läuft. Nach den Regeln eines unsichtbaren Diktators, mit straffer Führung. Ohne physische Gewalt, nur auf Basis von Texten auf einem Bildschirm, in schriftlichen Nachrichten oder am Telefon….und durch die Vorstellungen, die sich in den Köpfen der Teilnehmer entwickelten. Die erste Person, die sich gegen die Regeln auflehnt, wird sofort bestraft. Und der Denunziant belohnt. Die Gruppenmitglieder werden über die anderen Gruppenmitglieder ausgehorcht, wie wir es aus Stasi-Zeiten kennen oder derzeit im Zusammenhang mit der Türkei erleben. Als Belohnung bekommen die Spitzel u.a. Abzeichen, die sie „mit Stolz“ tragen sollen. Und dies teilweise anstandslos tun. Offene Kritik oder Widerstand werden sanktioniert, teilweise ohne Begründung der Strafen. Freie Meinungsäußerung ist unerwünscht und wird sogar von der Gruppe mit Druck beantwortet.

Das Befolgen von Regeln wird belohnt

Diejenigen Menschen, die den Anweisungen des Dikators folgen, werden mit Jetons belohnt, deren Wert allen Beteiligten unklar ist. Weder wissen die Teilnehmer, was sie damit machen können, noch kennen sie ihren Wert. Eine Belohnung, die auf Hoffnungen aufbaut, deren Erfüllung in den Sternen steht. Doch es funktioniert. Sie werden gefügig gemacht.

Die Gemeinschaft wird in den Mittelpunkt gestellt

Einer für alle – Alle für einen. Das ist ein Motto, das immer wieder beschworen wird. Durch einen gemeinsamen Slogan, den die Gruppe zu Beginn und am Ende der Arbeitsschicht überzeugend rufen soll. Jeder Einzelne. Wer ausschert, stellt sich gegen die Gruppe und gegen das System. Einer für alle – Alle für einen. Aber bitte nur, wenn es im Sinne des Systems ist. Für die Ziele der Diktatur, entsprechend den Regeln des Diktators. Denn wenn sich die Gruppe aufzulehnen versucht, erfolgen umgehend Drohungen und Sanktionen seitens des Diktators.

Monotone Arbeit füllt die Leere

Die Arbeit ist monoton, die Gruppe bewusst geteilt. Wechselseitige Hilfe ist unerwünscht. Gestalterische Freiheit wird schnell unterbunden. Der wesentliche Nutzen der stupiden Tätigkeit ist die Beschäftigung an sich. Das sich Ablenken. Das Verhindern von kritischen Gedanken. Optimierung der Prozesse erfolgt ausschließlich innerhalb der Gruppen. Zwar haben beide Bereiche nichts miteinander zu tun, dennoch könnte ein WIR Abwechslung in die Monotonie bringen. Doch das Wir-Denken wird an dieser Stelle durch die vorgegebenen Strukturen unterbunden. Jeder bleibt in seiner „Welt“. Und gleichzeitig wird Rivalität, Argwohn und Neid erzeugt. Wenn DIE anderen ihr Ziel nicht erreichen, werden WIR direkt oder indirekt bestraft.

Gezielte Desinformation

Führung,Führungsstil,Führungskultur,Unternehmenskultur,Kulturwandel,Coaching,Sven Geelhaar,Der Diktator nutzt Information, Desinformation oder Informationssperre gezielt zur Führung, besser gesagt zur Manipulation der Menschen. Es entsteht Misstrauen gegenüber anderen Gruppenmitgliedern, Unsicherheit und Angst. Und obwohl jeder Teilnehmer weiß, dass ihr oder ihm nichts passieren kann, reagieren die Menschen mit derartigen Emotionen. Werden gefügig gemacht. Folgen vorauseilendem Gehorsam. Bauen sich Drohszenarien auf, die nur in ihren eigenen Köpfen existieren. Und dennoch folgen sie ihren Ängsten und machen, was noch niemand gefordert hat.

Plötzlich verschwindet jemand

Und dann verschwindet über Nacht eine Teilnehmerin. Die Aufsässige. Die Widerständlerin. Niemand weiß warum. Niemand weiß, ob freiwillig oder erzwungenermaßen. Von heute auf morgen ist ein Gruppenmitglied weg. Informationen gibt es keine. Die Emotionen flammen kurz auf und doch haben die Diktator-Lemminge die Überhand. Sie machen weiter als sei nichts gewesen. Es war schließlich eine Widerständlerin, die das Gruppenwohl gefährdet hat. Und dennoch nehmen bei einigen die Zweifel zu, ob die blinde Gefolgschaft wirklich richtig ist.

Gemeinsam gegen die Wettbewerber

Unternehmenskultur,Kulturwandel,Führungskultur,Coaching,Sven GeelhaarAls schließlich eine weitere Person verschwindet, empfangen die verbliebenen Gruppenmitglieder eine Video-Botschaft von der Vermissten. „Es geht mir gut! Ich bin befördert worden und soll eine andere Gruppe entwickeln.“ Ob sie wirklich freiwillig gegangen ist und ob sie damit wirklich glücklich ist, bleibt ihnen verborgen. Doch die Erkenntnis, dass es eine andere Gruppe gibt, mit der sie im Wettbewerb stehen, schweißt sie schnell wieder zusammen. Allen Zweifeln am System zum Trotz.

Hier ist es viel besser als da draußen

Und wenn doch wieder Zweifel aufkommen, zeigen die vielen Regel-Poster ihre Wirkung.

„Eigentlich haben wir es hier doch gut. Der Diktator sorgt für uns, wir haben Arbeit und Essen. Da draußen ist es mit Sicherheit schlechter.“

So verfestigen sich der Glaube an das bestehende System und die Angst vor dem Unbekannten.

Ende gut, alles gut?

Unternehmenskultur,Kulturwandel,Führungskultur,Coaching,Sven GeelhaarWären die Zwangsmittel der künstlichen Diktatur existenzieller gewesen, hätte sich das System sicherlich noch viel länger gehalten. Doch die Widerständler schafften es schließlich, der Gruppe die Angst vor den Repressalien zu nehmen. So gab es den kollektiven Ausstieg aus der Diktatur nach nur einer Woche. Ein faszinierendes Experiment für Politologen und als Mahnung an uns alle, wie leicht Menschen manipuliert werden können!

Ersetze „Diktator“ durch „Management“?

Während ich mir die 4 Folgen ansah, kamen mir immer wieder Situationen aus der Arbeitswelt in den Kopf. Situationen, die eine erschreckende Ähnlichkeit hatten. Führungsverhalten, das in unserer Unternehmenswelt weit verbreitet ist. Sicherlich nicht mit der gleichen Intention, wie sie ein Diktator hat. Doch teilweise mit ähnlichem Machtanspruch und vergleichbaren Konsequenzen im Verhalten von Menschen. Die Maßnahmen werden geschickt mit einer positiven Note versehen, damit die dunkle Seite verdeckt wird.

Die Parallelen, das 1×1 des Diktators:

  • Regeln schmücken die Wände und sind zu befolgen = Leitbilder, Visionswerte, Verhaltensregeln in allen Büros und Besprechungsräumen.Neue MitarbeiterInnen werden eingenordet
  • Überwachung und Repressalien gegen Gruppenmitglieder = Kontrollsysteme nehmen immer mehr zu, Mitarbeiter auszuhorchen ist leider keine Seltenheit, Belohnungsentzug reicht bereits als Bestrafung aus
  • Regeln befolgen wird belohnt = Jungen Mitarbeitern wird die Karriere-Karotte vor die Nase gehalten und ihnen direkt oder indirekt die Systemkonformität abgerungen
  • Die Gemeinschaft wird in den Mittelpunkt gestellt = Das WIR-Gefühl wird eingefordert
  • Monotone Arbeit füllt die Leere = Spezialisierung und funktionale Strukturen verhindert die freie Entfaltung der Fähigkeiten und Talente
  • Gezielte Desinformation = das mächtigste Instrument: Geheimhaltung³, Nicht-Information, Desinformation
  • Plötzlich verschwindet jemand = Freistellung von Mitarbeitern, die das Betriebsgelände in Begleitung des Werkschutzes verlassen müssen, Auflösungsverträge mit Schweigeklausel
  • Gemeinsam gegen die Wettbewerber = Aufbau internen Wettbewerbs. Externe Wettbewerber werden als Feinde deklariert
  • Hier ist es viel besser als da draußen= gebetsmühlenartiges Betonen, welch großartigen Arbeitgeber wir doch haben
  • Ende gut, alles gut? = Nein, die Existenzangst ist das größte Machtinstrument in Unternehmen, Job-Verlust = Existenzbedrohung, beruflich UND privat
  • Ersetze „Diktator“ durch „Manager“ = Diktatoren führen und Manager führen. Der Methoden-Pool ist groß. Es bleibt die Entscheidung, welche die Manager wählen und mit welcher Motivation
Ich möchte mit diesem Beitrag zum Nachdenken anregen. Jeder Mensch trifft seine eigenen Entscheidungen. Das gilt für Führungskräfte ebenso wie für diejenigen, die geführt werden. Jeder Mensch kann frei entscheiden, ob er/sie mitmacht oder aussteigt. Wenn ein System menschenverachtend ist! Die Versuchungen sind in der Arbeitswelt groß und die Grenzen zwischen positiver und negativer Wirkung von Maßnahmen verschwimmen zunehmend. Vieles von dem, was in der Führungslandschaft zum Einsatz kommt, ist gut gemeint. Und doch bleibt die Erkenntnis, dass oft gilt:

GUT GEMEINT ist das GEGENTEIL von GUT!

Sich der Schattenseiten jeder Führungsmaßnahme bewusst zu sein, ist Voraussetzung für eine erfolgreiche und verantwortungsvolle Führung. Leadership ist gefragt.

Die Würde des Menschen ist unantastbar!

Das gilt im Privatleben wie auch im Arbeitsleben! Und jeder Mensch hat die Pflicht sich für dieses Recht einzusetzen. Egal ob als Führungskraft oder MitarbeiterIn. Gerade in der heutigen Zeit!

Schauen Sie sich die Dokumentation an! Es lohnt sich!

ZDF: Das Diktaturexperiment: Diktator

 

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P.S.: Neugierig auf mehr?   www.unternehmenskulturwandel.de